Ein Meister, ein Bomber und jede Menge Herzblut

Helmut Hättich und Werner Matt über mehr als 60 SVH-Jahre

Den einen nennen SVH-Kenner einfach nur „Meister“, den anderen „Bomber“. Was unüberhörbare Wertschätzung ausdrückt. Helmut Hättich, heute 76 Jahre jung, und Werner Matt (77) zählen zu jenem Jahrgang, der Mitte der 1950er-Jahre für den SV Haslach bei den Senioren die Kohlen aus dem Feuer holte. Beide zählten auch unter Regie von Stadtbaumeister Karl Fießer zum harten Kern mit Jockel Armbruster, Gustav Voll­mer, Josef Keller, der mit Unter­stützung aller Aktiven und vieler Zuschauer über eineinhalb Jahre hinweg an sechs Tagen die Woche nach der eigentlichen hauptberuflichen Arbeit das Fundament für das Stadion gelegt hat. Helmut Hättich, Maurer­meister und Bauzeichner, und Werner Matt, gelernter Schmied und 44 Jahre in der Hornberger Duravit im Einsatz, spielten noch mit Mitte 50 bei den Alten Herren und waren Trainer. Wie Matt coachte Hättich lange Zeit Ju­gend­teams des SVH, danach zwei­einhalb Jahre die Erste des SVH, sechs Jahre die Erste des SV Mühlenbach, drei Jahre den SV Oberwolfach und fünf Jahre den FC Fischerbach. „Mit 60 habe ich aufgehört“, blickt der „Meister“ zurück, der einerseits eine harte Gangart bevorzugte, andererseits aber äußerst gesellig und zwischenmenschelnd agierte. Gründe genug mit zwei Zeit­zeugen der goldenen Ära des SVH über gut sechs Jahrzehnte im Sportverein zu sprechen.

Seit wann seid ihr denn Mitglied im SV Haslach?
Helmut Hättich: Oh. Schon ewig. Der Matte Hans hat uns noch trainiert. Also seit 1948.
Werner Matt: Das reicht nicht, das muss schon 1946 gewesen sein.
Was bedeutet euch beiden der SVH?
Hättich: Herzblut. Jede Menge sogar.
Matt: Leidenschaft. Und daran wird sich auch nichts ändern.
In besonderer Erinnerung bleibt bestimmt der Sprung ins kalte Wasser bei den Senioren?
Matt: Auf Anhieb sind acht von uns aus der A-Jugend in die Erste gekommen. Das war außer­ge­wöhnlich.
Hättich: Die Spieler aus Mainz sind damals wieder zurück in ihre Heimat. Deshalb gab es einen großen Bedarf.
Matt: Die Mainzer haben das sinkende Schiff verlassen, und dann sind wir hochgeholt worden.
Wie kamen denn damals Mainzer dazu, im fernen Haslach zu spielen?
Hättich: Hukla-Chef Klaussner hatte ein zweites Werk in Mainz und wollte den SVH sportlich verstärken. Ja, das war schon eine besondere Zeit.
Mit vielen Erinnerungen. Welche fällt dazu spontan ein?
Hättich: 1953 gegen Leutesheim haben wir 11:0 gewonnen, da habe ich neun Tore gemacht. Das ist weiter der Tor-Rekord bei den Aktiven des SVH. Das war in der A-Klasse, als wir Meister wurden.
Aber du hast doch rechter Verteidiger gespielt.
Hättich: Ja, habe ich. An dem Tag hat aber der Ochse-Wirt gefehlt, da haben sie mich aus­nahmsweise für ihn als Mittel­stürmer vorne reingestellt.
Matt: Wir haben zwei Jahre hintereinander mit zwölf Mann gespielt, unser einziger Ersatz war der Mayer Amandus als ältester.
Der Mann für Sondereinsätze?
Hättich: Zum Beispiel, als ich mal um fünf Uhr morgens erst zuhause war.
Matt: Der Öhler Sepp passte damals auf, dass es auch außerhalb des Sportplatzes bei uns diszipliniert zuging.
Hättich: Und dadurch erfuhr der Olbrich Hubert von meinem langen Feiern. Ich war schon umgezogen, da hat mir unser Spielausschussvorsitzender gesagt, dass ich heute nicht gebraucht werde. Und aus lauter Schreck bin ich dann auch noch auf der Treppe im alten Clubhaus ausgerutscht und habe mir den Fuß verstaucht.
Was zeichnete das sportliche Aushängeschild des SVH mit den blutjungen Hättich, Matt & Co vor allem aus?
Hättich: Unsere Fitness.
Matt: Und unsere Kameradschaft.
Hättich: Ich erinnere mich noch gut an die Diagonalläufe im Training, oder den Galgenbühl hoch und runter, auch mal mit Bleiwesten an.
Medizinbälle auch?
Matt: Ja, Medizinbälle waren fast immer im Einsatz.
Dann war der Herr Büchner der Felix Magath der damaligen Zeit.
Hättich: Ja, das war er. Wir waren dafür aber wie gesagt topfit und haben alles über den Haufen gerannt. Training war dienstags und donnerstags, freitags sind wir freiwillig mit sieben oder acht Mann hinterm Hofstetter Schneeballen noch den Buckel hoch gerannt. Nicht zu vergessen Büchners Ansprachen, die nach dem Abschlusstraining immer eine Dreiviertelstunde dauerten.
Dazu kam euer Talent, ein echter Talentschuppen.
Matt: Das waren wir.
Hättich: Wobei der Armbruster Jockel erst mit 16 angefangen hat zu kicken, vorher war er mit den Rössern in der Landwirtschaft unterwegs und hatte keine Zeit für andere Dinge.
Was war weniger angenehm damals?
Matt: In den Aufstiegsspielen haben wir leider immer Dresche gekriegt, erst 1960/61 gab es keine Aufstiegsspiele mehr und damit hat es mit dem Aufstieg in die Amateurliga Südbaden geklappt.
Das schönste Erlebnis war bestimmt die folgende Saison im südbadischen Oberhaus.
Matt: Für mich persönlich war unsere Kameradschaft das schönste Erlebnis. Wir haben zwar selten ein Essen bekommen, sind aber immer lange zusammengeblieben. Nicht wie heute, wo alle recht schnell nach dem Training oder Spiel ihre eigenen Wege gehen.
Hättich: Ich habe damals meinen Maurermeister in Reutlingen gemacht und war nicht dabei.
Matt: Ich habe dann in der Zweiten gespielt. Für uns war natürlich die Meisterschaft 1954/55 schöner, weil unser Jahrgang fast die komplette Mannschaft stellte. Unvergessen auch das Aufstiegsspiel gegen den VfR Hornberg draußen am Damme vor weit über 2000 Zuschauern. Und mit der Zweiten sind wir später in die A-Klasse aufgestiegen, die heutige Bezirksliga. So hoch hat nie wieder eine SVH-Zweite gespielt.
Hättich: Und sogar der Lahrer FV wurde mal 2:1 von unserer Zweiten besiegt. Hut ab!
Und wer wo gespielt hat, stand rechtzeitig im Käschtle am alten Kaufhaus, wie selbst viele jüngere Jahrgänge noch wissen.
Hättich: Halb Hasle ist nach der Kirche ans Käschtle gelaufen, um zu schauen, welche Elf spielt und in welchem Gasthaus nach dem Spiel gefeiert und gesungen wird.
Eine Elf im wahrsten Sinne des Wortes. Schließlich durfte damals nicht während des Spiels gewechselt werden.
Hättich: Stimmt. Irgendwann durfte gewechselt werden, aber erst viele Jahre später.
Und auf dem Spielerbogen im Käschtle waren auch gleich die Positionen bestimmt, mit rechter Verteidiger, Mittelläufer und linker Verteidiger und so weiter.
Matt: Hättich, Armbruster und Matt – diese Namen standen oft dort in der hinteren Reihe vor Torhüter Wilfried Brohammer.
Und so sahen die Herren Hättich und Matt zu A-Jugendzeiten kurz vor der Voll­jährigkeit aus.

Und so sahen die Herren Hättich und Matt zu A-Jugendzeiten kurz vor der Voll­jährigkeit aus.

Aber zurück zum Stichwort „Singen“. Planmäßiges Singen?
Hättich: Wir waren nicht nur gute Fußballer, sondern richtig gute Sänger. Und es wurde damals sehr viel gesungen.
Matt: Wir sind nach jedem Spiel in ein Gasthaus und haben noch einen gesungen. Und noch einen. Es gab mal Belgier und Holländer, die in Haslach Urlaub machten. Denen hat es so gefallen, wie wir gesungen haben, dass sie für jedes Lied eine Runde für uns gezahlt haben.
Nicht nur Kreuzberger Nächte sind lang. Und wie hieß euer Top-Hit?
Hättich: Natürlich unsere vereinseigenen Bundesfahnen. Aber wir mochten auch Schwarzwälder und Tiroler Lieder. Es war einfach schön.
Einmal war sogar die Stadtmusik dabei. Weißt du noch?
Matt: Oh ja. Als wir schon Meister waren und dann 8:1 in Orschweier auf die Kappe bekommen haben. Allerdings war bereits die Stadtkapelle bestellt, die uns durchs Städtle geleiten sollte. Oh, oh, haben wir uns auf dem Weg durchs Städtle ein paar Kommentare anhören müssen. Und beim anschließenden Meisteressen im Hotel "Kreuz", wo heute die Stadtapotheke ist, servierten sie jedem von uns ein Ei und sagten, dass es mehr nicht gibt. Da sind uns die Kinnladen heruntergefallen. Aber es gab dann doch noch ein gescheites Abendessen.
Die besonderen, alten Zeiten ...
Hättich: Da fällt mir gerade noch was ein. Wenn du als Spieler einen Zuschauer nicht gegrüßt hast und der das dem Obert Sepp, dem Vorsitzenden, gemeldet hat, hast du in der Monats­ver­sammlung den Rost herunter be­kommen.
Und arbeitsreiche Zeiten mit Blick auf die Ent­stehungs­geschichte der heutigen Sportanlage hier.
Matt: Das kann man wohl sagen. Wir haben dafür schwer geschuftet. Wir wussten aber auch für was.
Hättich: Nachdem hier alles fertig war, hatte der SVH die schönste Stadionanlage zwischen Offenburg und Villingen. Viele Gast­mannschaften haben uns beneidet, dass wir ein eigenes Clubheim mit Duschraum hatten. An den meisten Orten war Duschen in einem Schuppen oder sonstwo angesagt..
Matt: Heute liegt aber noch einiges im Argen. Immerhin sind jetzt die Zuschauerränge auf der Clubhaus-Seite saniert worden. Und die Kabinen sind richtig schön geworden.
Hättich: Nur haben uns alle umliegenden Vereine mit ihrem zweiten Rasen- oder Kunst­rasenplatz überholt. Unser Hart­platz ist nicht mehr zeitgemäß.
Und dann gab es auch die Trainerzeit der Herren Hättich und Matt.
Matt: Das Training mit all den Junioren hat große Freude bereitet. Ebenfalls eine schöne Zeit.
Hättich: Unvergessen bleiben die17:3 Punkte aus den letzten zehn Spielen, nachdem ich als Feuerwehrmann den Abstieg der Ersten in der Bezirksliga ver­hindern sollte. Gleich gegen Ta­bellenführer SV Gengenbach haben wir gewonnen, mit Jürgen Blank und Franz Schöner habe ich gleich zwei aus meiner A-Jugend hochgeholt, die sofort eingeschlagen haben. Eine Mutter eines Spielers hat sich übrigens mal beklagt, dass ich als A-Jugendtrainer wie ein Halb­wilder gemacht und viel zu viel verlangt hätte.
Ein klarer Fall von „Zulegen“, dieses legendäre Wort aus dem Mund von „Meister“ Hättich und für einige seiner von ihm trainierten SVH-Generationen.
Hättich: Zulegen. Richtig. Und dann fällt mir noch eine Geschichte zum Stichwort Ablegen ein. Als ich das erste Mal in den Duschraum kam, standen die Spieler mit Badehose unter der Dusche. Ich dachte, ich sehe nicht recht und war der einzige Nackte unter der Dusche. Und ich sagte, dass ich künftig keine Badehose mehr unter der Dusche sehen möchte. Beim nächsten Mal standen sie wieder alle mit Badehose da, als ich hereinkam, da sagte der Blanke Sepp: Eins, zwei, drei und die Hosen waren unten.
Was wünscht ihr euch für die Zukunft des SVH?
Matt: Eine Meisterschaft, damit wir aus dem Schlamassel der Kreisliga wieder herauskommen.
Hättich: Wäre der Lukas Staier nicht nach Hausach gewechselt, hätte die Erste in dieser Saison ganz oben mitgespielt, denn die Jungs spielen guten Fußball, nur fehlt vorne noch ein weiterer guter Stürmer.
Matt: Trainer Volker Barthruff leistet gute Arbeit und hat seine Jungs im Griff. Jetzt fehlt eben nur noch der Aufstieg. Weil der SVH schon in der Bezirksliga spielen sollte.
Hättich: Wir verfolgen das Ganze auf jeden Fall weiter mit großem In­teresse, auf dem Sportplatz und überhaupt. In mehr als 60 Jahren habe ich keine Haupt­ver­samm­lung des SVH verpasst.

Und zum krönenden Abschluss noch ein Hättich-Bonbon. Als der Meister den SV Oberwolfach trainierte, formulierte er in der Halbzeitpause eine Auswechslung eines Spielers wie folgt: "Nummer 9, ausziehen, umziehen, heimgehen, weiterschlafen!" Noch heute wird Helmut Hättich auf diesen Spruch angesprochen, wenn er bei den Wolftälern zu Besuch ist.

(Das Interview wurde 2011 von Marc Faltin geführt.)


April, 2017